Scheitern ist okay
Scheitern ist immer eine Frage der Perspektive. Das habe ich in meiner Triathlon-Zeit gelernt. Meine letzten drei Ironman Wettkämpfe 2017 und 2019 fühlten sich für mich an wie Scheitern. Ich weiß, das klingt absurd, denn jedes Mal hatte ich es geschafft: Zweimal die Qualifikation für den legendären Ironman auf Hawaii und dann auch das Finish auf der Insel. „Was will die Frau eigentlich?“ Das habe ich mich selbst gefragt. Was ist eigentlich mit einem Menschen los, der eine objektiv großartige Leistung als Niederlage empfindet? Aber es war wie es war: Ich hörte viel Lob von anderen und erzählte mir immer wieder selbst, wie hervorragend es doch war, dass ich der Hitze, dem Wind, den Krämpfen, dem Sonnenstich, all diesen Widrigkeiten getrotzt hatte und ins Ziel gekommen war. Das war doch gut. Oder? Ja, das hast du toll gemacht. Immer schön positiv denken. Das habe ich dann wie ein Mantra gebetet und gedacht, dadurch würde ich zufrieden.
Aber: Ich habe dieses Mantra nur gedacht und nie gefühlt. Eigentlich war es so: Ich wollte auf´s Podium und das hatte ich nicht geschafft. Ich war gescheitert und das fühlte sich einfach nicht gut an. Das war die eigentliche Wahrheit.
Meine Gedankenkreisel hörten erst in dem Moment auf, als ich dieses schlechte Gefühl zugelassen und mein Scheitern angenommen hatte.
Zugegeben: Ich fand meinen Ehrgeiz nie besonders sympathisch. Ich wäre am liebsten so eine Spontan-Athletin gewesen, die nächtelang tanzend durch die Bars zieht, ab und zu mal trainiert und einfach nur ganz, ganz viel Spaß hat mit sich und den anderen Menschen im Sport, die sich nicht um Zeiten und Platzierungen schert. Aber so war ich einfach nie. Ich habe immer zu denen gehört, die sich selbst riesige Hürden in den Weg stellen. „Du hängst die Latte einfach immer zu hoch.“ Habe ich öfter gehört (oder zu mir selbst gesagt, irgendwann kennst du den Unterschied nicht mehr). Also scheint die Lösung einfach: „Hänge die Latte niedriger.“
Deshalb habe ich früher oft versucht, so zu tun, als hätte ich gar nicht so hohe Ambitionen. Das klingt sympathischer, oder? Noch lieber als erfolgreich zu sein, wollte ich gemocht werden. Man tut halt so, als hätte man nichts Großes vor und dann überrascht man alle anderen. Aber eigentlich ist das nur noch schrecklicher: Wie früher in der Schule diese Mädchen, die gesagt haben: „Ach, ich habe gar nicht gelernt und die Arbeit total vergeigt“ und dann hatten sie eine Eins. Widerlich fand ich das.
Im Grunde habe ich jahrelang einen Teil von mir abgelehnt, anstatt ihn zu umarmen: Meinen Ehrgeiz.
Es gibt zu wenig größenwahnsinnige Frauen
Erst als ich das begriffen hatte und akzeptierte, dass ich in meiner Perspektive in diesen drei Rennen tatsächlich gescheitert war, ging es mir besser. Ich hatte mir ein Ziel gesteckt und es nicht erreicht. So einfach ist das. Ich habe es beim ersten Mal 2017 nicht auf´s Hawaii-Podium geschafft und 2019 habe ich es noch einmal versucht und beide Male bin ich gescheitert. Und wenn ich das hier jetzt so hinschreibe, dann fühlt es sich auf einmal total okay an! Ich war sehr ehrgeizig und habe nicht geschafft, was ich wollte. Meine letzten drei vergurkten Ironman-Rennen und ich: Wir haben uns versöhnt. Und meinen Ehrgeiz fand ich auf einmal auch nicht mehr soooooo extrem unsympathisch. Jetzt war doch alles gut. Oder?
Doch dann passierte folgendes: Nachdem ich meinen Roman fertig geschrieben hatte, sagte eine mir nahe stehende Person folgenden Satz: „Du musst damit rechnen, dass dein Roman kein Erfolg wird.“
Dieser Satz wurde übrigens mehrere Male wiederholt und war auf jeden Fall „gut gemeint“. Er sollte mich davor bewahren, diese schreckliche bevorstehende Niederlage besser verarbeiten zu können.
Ich sage dazu nur soviel: Was ein Erfolg ist und was nicht, das bestimmt in diesem Fall nur eine Person: Ich. Überraschenderweise habe ich gar nicht vor, den Nobelpreis zu gewinnen oder einen neuen Spiegel-Bestseller zu schreiben. Was ich wollte war: Die Geschichte, die in mir ist, aufzuschreiben. Einen Roman schreiben. Das war mein Ziel. Das habe ich jetzt erreicht. Was das Schreiben angeht, kann ich nur sagen: Der Erfolg ist schon da. Das Buch ist fertig geworden und hat schon zehn Testleser:innen erfreut. Das ist ein Erfolg. In dieser Sache kann ich gar nicht mehr Scheitern. Am Ende geht es überhaupt nicht darum, was die anderen für einen Erfolg halten.
Es geht darum, was du von dir selbst erwartest.
Ob du das nach außen trägst oder nicht, das kannst du selbst entscheiden. Wichtig ist nur, dass du mit dir selbst vereinbart hast, was du willst und dir nicht von anderen reinreden lässt.
Wie ich mich und meinen Ehrgeiz kenne, werde ich mir jetzt natürlich neue Ziele setzen. Vielleicht 1000 Exemplare zu verkaufen oder sowas in der Art. Keine Ahnung. Eins ist jetzt schon so sicher wie das Amen in der Kirche: Ich werde wieder scheitern. Auch beim Schreiben. Mit Sicherheit.
Aber: Scheitern ist okay. Wer sich etwas vornimmt, der kann scheitern. Ganz einfach. Und wer sich sehr viel vornimmt, der scheitert wahrscheinlicher als jemand, der sich weniger vornimmt. Einfache Rechnung. Das heißt aber nicht, dass man sich nicht zu viel vornehmen sollte. (Denn: Es könnte ja auch klappen.) Das heißt eigentlich nur: Es sollten niemals die anderen sein, die dir sagen, was deine Ziele sind. Sei ehrlich zu dir und bestimme selbst, was ein Erfolg für dich ist!
Neueste Kommentare