Was reden die Menschen über dich, wenn du nicht im Raum bist?
Ich meine jetzt keine Lästereien. Es geht um die Frage, wie du von anderen wahrgenommen wirst, was sie als deine besonderen Merkmale ansehen, wofür du ihrer Meinung nach stehst. Und was passiert, wenn du dich veränderst? Im Marketing sollen einen solche Gedanken angeblich weiterbringen. Personal Branding heißt das dann. Als ich über sowas nachgedacht habe, war mein erster Gedanke: „Was kümmert mich die Meinung anderer. Ich bin ich.“ Aber ob du es willst oder nicht, du musst schon wissen, wie andere dich sehen, wenn deine Botschaften bei den richtigen Leuten ankommen sollen. Selbst wenn du nichts verkaufen willst: Als Pädagogin ist das ja genauso. Du kannst von Schülern keinen Fleiß verlangen, wenn du die Klausuren fünf Wochen lang auf deinem Schreibtisch herumgammeln lässt. Nur so als Beispiel.
Ich hatte jahrelang das Gefühl, wann immer ich irgendwo privat auftauchte: das erste, was die Leute von mir dachten, war: „Die Sportlerin.“ Ich weiß nicht einmal, ob das wirklich stimmt. Was aber wichtig ist: Ich dachte, es wäre so. Ich war die Triathletin, die Ironfrau. Klar, ist das schön, wenn dir Menschen zu einem Sieg gratulieren, dich um Rat fragen, wenn es um Training geht oder irgendeine andere Art der Anerkennung für dich übrig haben. Aber irgendwann hatte ich das Gefühl, aus dieser Nummer gar nicht mehr herauszukommen.
Was passiert, wenn du mit etwas aufhörst, das dein Leben maßgeblich mitbestimmt hat? Verlierst du dann ein Stück Selbst?
Zum Beispiel, wenn du aufhörst zur Schule zu gehen, aufhörst zu studieren, aufhörst zu arbeiten oder eben: aufhörst Triathlon zu machen.
Die Leute sind dann erstmal irritiert und müssen sich daran gewöhnen. Ich hörte die Leute schon sagen: „Die kann doch gar nicht ohne.“ Frei nach dem Sartre-Motto: Die Hölle, das sind die Augen der anderen. „Jetzt schreibt sie auch noch.“ „Was soll das denn bringen?“ „Wann will sie das denn noch machen? Sie hat doch schon einen Beruf.“ „Gibt schon genug Bücher.“
Ehrlich gesagt: Ich habe keinen einzigen dieser Sätze wirklich gehört. Und selbst wenn sie tatsächlich gesagt oder auch nur gedacht würden: Am Ende würden sie nur zeigen, wie andere mich sehen und nicht, was für mich selbst richtig ist. Das Motto müsste deshalb eigentlich lauten: Die Hölle, das sind deine eigenen Gedanken über die Augen der anderen.
Ich wollte es mir lange nicht eingestehen, aber es war gar nicht die Angst vor dem Gerede der anderen. Vielmehr hatte ich Angst davor, ein Teil meines Selbst zu verlieren, wenn ich mich nicht mehr als Triathletin definiere. „Du ohne Triathlon? Das glaubst du doch selbst nicht!“
Eigentlich waren es weniger die Leute, die irritiert waren und sich an das Neue gewöhnen mussten. Ich war es, die irritiert war.
Und sind wir doch mal ehrlich: So viele Menschen interessieren sich auch gar nicht für einen. Das ist eine gute und schlechte Nachricht zugleich. Ich musste mich jedenfalls erstmal an mein neues Selbst gewöhnen und ich bin noch lange nicht fertig damit. Im Buddhismus gibt es übrigens sowas wie ein „Selbst“ oder „Identität überhaupt gar nicht. Aber das ist jetzt ein anderes Thema. Bei Interesse schreibe ich dazu auch mal etwas.
Eigentlich hatte ich schon jahrelang davon geträumt, Schriftstellerin zu sein. Also nicht nur mal nur so hobbymäßig ein Buch zu schreiben, sondern viele Bücher. Aber ich dachte dann immer: Der Tag hat ja nur 24 Stunden. Mit Beruf, Familie und Triathlon passt das doch nicht. So habe ich mir das jedenfalls eingeredet.
Seit ich überall herumerzähle, dass ich ein Buch geschrieben habe, (was mir am Anfang übrigens sauschwer gefallen ist: Frau soll sich ja nicht so in den Mittelpunkt stellen), höre ich von vielen Menschen, sie wollen auch ein Buch schreiben, aber leider fehlt nur die Zeit. Dazu kann ich nur sagen: Einen guten Roman zu schreiben, das braucht genauso viel Zeit wie Ironman-Training. Mindestens. Also: Entweder machst du es oder du lässt es halt sein und machst etwas anderes. Das ist ja auch okay. Aber bitte nicht herumlamentieren. Ich bin mir zu lange selbst mit dieser Haltung auf die Nerven gegangen. Ich kann nur empfehlen: Es schadet nicht, wenn du eher als ich damit anfängst, dein Ding zu machen.
Wenn du etwas machen willst in deinem Leben, dann tu es gefälligst auch. Oder gestehe dir ein, dass du einfach gerne träumst. Das ist ja auch eine gute Sache. Mir hat das Träumen irgendwann einfach nicht mehr gereicht. Ich wollte meinen Roman schreiben, bevor der Sargdeckel über mir zuklappt.
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