Der Leistungssport und ich – die Geschichte einer Scheidung
Der Abschied vom Wettkampfsport war wie die Trennung von einem Partner. Das Alleine-Sein danach, das können die meisten Menschen nicht aushalten. Sofort haben sie einen neuen Partner oder eine neue Partnerin. Komischerweise ist das dann immer jemand, der dem alten sehr ähnelt. Die alte und neue Partnerin war bei mir das Marathonlaufen. Das kannte ich ja schon. Es war nicht Neues. Im Prinzip war es wie Zusammen-Sein mit einer Ex! Da weiß man, was man hat. Über die Macht der Gewohnheit habe ich ja schon geschrieben.
Am Ende ist es wohl oft eine Mischung zwischen äußeren und inneren Bedingungen, die einen dann dazu bringt, alte Gewohnheiten abzulegen und Platz zu machen für etwas wirklich Neues. Bei mir war es so: Bei einem wunderschönen Lauf, der eigentlich 18 km lang werden sollten, knickte ich mitten im Wald um. Bänderdehnung nach acht Kilometern. Ich musste verletzt abgeholt werden – mit dem Auto. Danach konnte ich wochenlang nicht laufen, dann kam Corona und alle Marathons wurden abgesagt. Sportliche Ziele gab es also definitiv nicht mehr, jetzt waren wirklich alle Weichen gestellt. Ich glaube nicht an Schicksal. Wirklich nicht. Aber die Buchlampe, Blackbird, die Verletzung, Corona – das alles waren doch äußere Zeichen. Oder? Sie haben mir gezeigt, dass es gut ist, jetzt innerlich wirklich mit dem Wettkampfsport abzuschließen und dem Schreiben den Raum zu geben, den es braucht. „Wenn du jetzt nicht anfängst zu schreiben, dann wirst du es nie tun!“, sagte ich mir.
Und von da an war alles ganz einfach. Ich hatte nur diesen Anfang gebraucht. Den Startschuss.
Machen!
Nicht mehr nachdenken.
Ich habe also einfach drauflosgeschrieben. Als ich dreißig Seiten hatte, fing ich an zu überlegen, was das eigentlich überhaupt für ein Text werden soll. Ich mochte die Stimme meiner Hauptfigur und mit den Nebenfiguren war ich auch zufrieden. Aber ich hatte das Gefühl, gar keine Geschichte zu erzählen. Also fing ich an, mich schlau zu lesen. „Plotten“, hieß das Zauberwort. Bevor du anfängst zu schreiben, musst du plotten. Ich las ein bisschen etwas über die Heldenreise, die Schneeflockenmethode, das Drei- und Fünfaktschema, baute meinen Plot gefühlt hundert Mal um, verzweifelte regelmäßig, schrieb aber einfach immer weiter und weiter. Ich sagte mir: „Nichts ist in Stein gemeißelt, du kannst alles noch verändern. Nicht aufhören. Weitermachen.“ So ähnlich war mein Einstieg in den Ausdauersport übrigens auch gewesen, als ich mit 16 mit dem Laufen angefangen habe. Ich hatte meine fetten Basketballstiefel angezogen, war in den Wald gegangen und losgerannt. Heute hätte mich jeder dafür ausgelacht, wie schlecht ich ausgerüstet war und wie wenig ich über das Laufen wusste. Ich hatte kein Ziel, lief einfach so meine Runde, bekam schwere Beine und Blasen, musste gehen und lief dann trotzdem immer weiter und weiter. Weil ich das wollte und weil es ging. Erst als ich Leute traf, die ähnlich tickten wie ich, sich aber besser auskannten, bekam das Ganze eine Struktur. Genauso war das auch mit dem Schreiben.
Jetzt steckte ich die Zeit, die ich sonst mit dem Training verbracht hätte, ins Schreiben.
Ich saß am Schreibtisch, vor dem Rechner, mit meinem Text. Und als sechzig Seiten voll waren, dachte ich: „Schön und gut. Aber wer in aller Welt soll denn sowas lesen?“ Also musste ich mir Leute suchen, die sich auskennen und gab den Text meiner Freundin Deniz Selek, sie ist Bestsellerautorin. Und Rainer Wekwerth. Auch Bestsellerautor. Und Schreibcoach. Beide fanden mein Manuskript gut und rieten mir, die Geschichte unbedingt zu Ende zu erzählen. Jetzt war es also offiziell: Das Schreiben und ich, eine anerkannte Liebe… Die Hochzeit würde später kommen, aber eine heimliche Verlobung war es ja jetzt schon.
Ist das eigentlich bei dir auch so? Dass du erst die Bestätigung von außen brauchst, um auch im Innern zu fühlen, dass du auf dem richtigen Weg bist? Wie schön wäre es, sofort und aus dem Selbst heraus zu wissen, was richtig und was gut ist. Und was wäre denn gewesen, wenn niemand meinen Text gut gefunden hätte? Hätte ich dann etwa aufhören sollen mit dem Schreiben?
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