Reisen ist schon merkwürdig. Du ziehst los, um anzukommen. Wenn du einen Ort erreicht hast, bist du nicht mehr unterwegs. Also brichst du wieder auf. Um anzukommen. Und so geht das in einem fort. Die Insel auf der Karte, Phu Quoc, die Unterkunft, Mango Bay, ist erreicht. Mein iPad ist verdreckt. Die Scheibe schmierig. Der Bildschirm steht aufgeklappt auf der Tastatur. Neben dem Bett. Auf dem Ventilator sitzt ein Frosch. Nachts wache ich auf, weil mein iPad aufleuchtet. Ein Uhr dreißig. Dasselbe um drei. Und um vier Uhr zwanzig. Am nächsten Morgen sitze ich am Meer und möchte schreiben. Da sehe ich winzige Tierspuren, auf dem Bildschirm, kleiner als ein Kinderfingernagel. Der Frosch, vielleicht. Oder ein Gecko. Das ist doch ein gutes Zeichen! Wer sein Schreibzeug mit kleinen Tieren teilt, der ist an einem guten Ort angekommen. Ich beschließe eine Weile hier zu bleiben. Ich lasse also erstmal ein paar Tage lang den lieben Gott einen guten Mann sein und mache die Hängematten-Testerin. Vier Bücher und drei Tage später wird es mir dann zu öde und ich ziehe los, um zu schauen, was man machen kann hier auf der Insel. Es ist schon Nachmittag, aber ich will unbedingt noch los. Ich habe tagelang nicht geredet, weiß nicht mehr, wie sich meine eigene Stimme anhört. Friedrich, du musst unter Leute. Selbstkommando. Also buche ich, was noch geht: Sunset-Dinner-Tour, das klingt doch toll! Dreißig Leute auf einem winzigen Tuckerkahn, Oberdeck und Unterdeck, außer mir noch eine russische Frau mit Kind sonst alles Vietnamesen, sie quaken laut herum und lachen. Ich verstehe natürlich kein Wort, die Klappliegen oben an Deck sind schon alle voll besetzt, also stehe ich in der Gegend rum, warte auf den Sonnenuntergang. Der kommt aber nicht, die Sonne verschwindet hinter dicken Wolken. Es kommt Wind auf und wird dunkel, das war´s. Jetzt sollen alle Tintenfische angeln. Es ist wie immer beim Angeln. Keiner beißt an. Technomusik wird voll auf aufgedreht. Als ob die Tintenfische im Rhythmus ins Netz hopsen würden. Hoffentlich kommt nicht auch noch Karaoke! Ich verziehe mich lieber nach oben an Deck und warte, dass endlich das Essen kommt, habe richtig Kohldampf. Dann denke ich, da unten niest jemand laut. Und gurgelt. Nein, es ist anders. Da unten kotzt jemand. Würgen, gurgeln, speihen. Der macht das wieder und wieder und hört gar nicht mehr auf. Jetzt wird Essen von unten nach oben gebracht: Gelbe Suppe mit Bröckchen. In einer Plastikschale! Es ist viel Fantasie nötig, um diesen Zusammenhang nicht herzustellen, ich jedenfalls denke, gleich hänge ich auch über der Reling. Dann donnert und blitzt es, Wind fegt über Deck, Plastikschalen und Bierdosen wirbeln durch die Gegend, rutschen von Board ins Meer, schwallartiger Regen überflutet das Schiff. Das Aussteigen ist eine Evakuierung. Hektisch wird jeder Passagier mit Schirm an Land in den Bus geleitet, das Wasser steht bis zu den Knöcheln, der Schirm hält gar nichts ab und ich bin komplett durchweicht. Der Bus hat nur zwanzig Plätze, zehn müssen also stehen, ich bin eine von denen, nass bis auf die Haut, die Klimaanlage läuft volle Pulle. Dann wird jeder einzelne der dreißig Gäste vor´s Hotel gefahren. Ich bin die letzte. Eineinhalb Stunden im Bus frieren, um 10 Kilometer zurück zu legen! Ich wäre den Weg in der Zeit fast zweimal gejoggt. Aber ich war unter Leuten! Und ich war unterwegs und bin am Ende angekommen. Das kann ich heute Abend dem Frosch erzählen.